Betty Schnepf und Hans Stübiger
Mein Vater Hans wurde 1926 in Marktredwitz geboren und kam im Alter von etwa acht Jahren nach Bruck. Als das einzige Kind von Fritz Stübiger und seiner Frau Margarete, geborener Steiner, scheint er als Kleinkind von seiner Mutter sehr verwöhnt und fast mädchenhaft erzogen worden zu sein. Die Ursache für den Familienumzug nach Bruck: Sein Vater war Betriebsleiter der neuen Fabrik der Firma Scherdel für technische Federn in Bruck geworden. Hans war ein sehr guter, vielseitig begabter Schüler. In seinen Zeugnissen stand häufig die Note Eins: sowohl in Sport als auch in Musik und Zeichnen. Nach der Schule absolvierte er eine Mechanikerlehre bei Hofmann Apparatebau in Bruck. Dort wurde er wegen seiner besonderen Veranlagung auch im Konstruktionszeichnen ausgebildet. Seine Lehrzeit war verkürzt, weil Hitlers Wehrmacht dringend frisches Soldatenmaterial benötigte. Anfang 1944 wurde er schon eingezogen, kam zur Grundausbildung und dann nach Frankreich, wo das deutsche Heer nach der Invasion der Alliierten aber bereits auf Rückzug eingestellt war. Er erzählte, wie schön und friedlich es da unten am Atlantik bei Bordeaux gewesen sei und dass er dort zum Flakschützen ausgebildet wurde. Nach dem Kriegsende und kurzer Gefangenschaft bei den Amerikanern kam er 1945 wieder heim und musste sich danach mit Hilfsarbeiten durchschlagen. In den Fabrikhallen seines Lehrbetriebs demontierte er z.B. Bomben.
1946 wurde er schon Mitglied der Metallgewerkschaft. Von 1947 an hatte er endlich wieder richtige Arbeit. Bis 1949 bei Siemens und Halske in Erlangen in der Montage von Temperatur-Messgeräten. Danach als Getriebe-Feinmechaniker bei Frieseke und Höpfner in Bruck, die unter anderem Kino-Filmvorführmaschinen herstellten. Von 1952 bis 1955 in der Rechenmaschinen-Endmontage der Firma Diehl in Nürnberg. Danach wechselte er zu Siemens-Schuckert nach Erlangen in den Bereich Anlagentechnik und arbeitete als Konstrukteur, wobei er komplexe technische Zeichnungen für die elektrische Ausrüstung von Stahl-Walzwerken anfertigen musste. Die Qualifizierung dafür erwarb er vorher schon durch Abendkurse.
Meine Mutter Betty kam 1930 in Erlangen-Bruck zur Welt, ein Jahr nach ihrer Schwester Ottilie. Ihr Vater war der aus Nürnberg stammende Maurer Franz Schnepf, die Mutter Elise eine geborene Geißer aus Bruck. Wegen längerer Arbeitslosigkeit des Vaters musste die Familie schwere Zeiten überstehen. Nach Kriegsbeginn 1939 wurde der Vater zur Wehrmacht einberufen. 1941 bekamen die Schwestern noch einen Bruder, Werner. Die Mutter musste sehen, wie sie alleine die drei Kinder durchbrachte. Je länger der Krieg dauerte, desto härter wurde das Leben der Familie. Oft war so wenig Geld da und der Hunger so groß, dass Mutter und Töchter sich nachts durch Mundraub auf Feldern Essbares besorgten. Die Mutter ging auch auf die so genannten Hamsterfahrten aufs Land zu den Bauern. Aber irgendwann besaß die Familie nichts mehr, das man gegen die begehrten Lebensmittel eintauschen konnte. Zu allem Unglück erhielt Franz Schnepf im Februar 1945 bei Wittlich an der Grenze zu Luxemburg einen tödlichen Kopfschuß und endete in einem Massengrab. Im März 1945 ging das durch die Auswirkungen des Bombenkriegs verkürzte letzte Schuljahr meiner Mutter zu Ende. Meine Mutter erzählte, wie oft es bis zum Kriegsende noch Fliegeralarm gegeben habe, so dass alle Familienangehörigen sich in dem kleinen Kellerverließ unter dem Siedlerhäuschen verkriechen mussten. Das eigentliche Angriffsziel der bedrohlich und ohrenbetäubend dröhnend anfliegenden alliierten Bomberflotten war das nur 18 km entfernte Nürnberg. Manchmal erlebte die Familie verängstigt und wie gebannt vom Garten aus, wie nachts Zielmarkierungs-Leuchtfeuer - die so genannten Christbäume - über dem südlichen Nachthimmel hingen, dann das Donnern der Bomben-Einschläge in Nürnberg zu hören war und sich der Himmel glutrot verfärbte. Einmal hatte es sogar einen Bomberangriff auf die nur einen knappen Kilometer entfernte Werksiedlung mit mehreren zerstörten Häusern und Menschenopfern gegeben.
Bis Juli 1948 besuchte meine Mutter die Berufschule für Mädchen in Erlangen und erhielt Unterricht in hauswirtschaftlichen Fächern. Danach arbeite sie als angelernte Trafo-Wicklerin in der Röntgengerätefertigung bei Siemens-Reiniger in Erlangen. 1948 lernten Betty Schnepf und Hans Stübiger sich auch kennen. Im November 1948 heirateten die beiden in der Kirche in Bruck. Damals gab es in Bruck sogar eine Doppelhochzeit. Mit Betty und Hans wurden auch Bettys Schwester Ottilie und ihr Mann Erwin Bitter getraut. Bei der Hochzeit war meine Mutter gerade 18 Jahre alt geworden und bereits mit mir schwanger. Nach meiner Geburt blieb meine Mutter etwa ein Jahr lang zu Hause. Danach musste sie offenbar dringend zum Haushaltseinkommen beitragen und wieder arbeiten gehen. Also kam ich in die Obhut meiner Großmutter väterlicherseits. Die Großeltern waren nach Erlangen umgezogen, wo mein Großvater nun als Vorarbeiter und Betriebsleiter in der Maschinenfabrik von Fritz Feder arbeitete.