Eine vorgezeichnete Dienstkarriere...
In Ottos Persönlichkeit und Lebensgeschichte gibt es Auffälligkeiten und Besonderheiten. Die Grundcharakteristika waren ein starker Wille und eine spartanische "eiserne" Grundhaltung - bei einem
zurückhaltenden, empfindsamen Wesen. Dazu kamen seine sportliche Figur mit knapp 1,80 m Körpergröße, seine Jugenderfahrungen mit dem Leben in der Natur und seine Kletterkünste. Weiter konnte er
mit solidem technischen Grundwissen punkten, mit Sprachkenntnissen in Englisch und Französisch - und mit der Muttersprache Deutsch.
Wegen dieser Merkmale und Talente mochte er schon bei seiner ersten Bewerbung um Aufnahme ins britische Militär im September 1939 positiv aufgefallen und
erfasst worden sein. Oder bei seinem Tribunaltermin Ende Oktober 1939. Im Ergebnis könnte daraus eine von Anfang an vorgezeichnete besondere Dienstkarriere entstanden sein. Dafür gibt es einige
Hinweise.
Kaum beim Pioneer Corps - schon in Frankreich?
Als Otto Ende April 1940 im "No 3 Training Centre" des Pioneer Corps in Richborough bei Sandwich in Kent ankam, gab es schon mehrere deutsch-österreichische Ausländerkompanien. Sie bestanden
ausnahmslos aus Männern der Altersspanne zwischen 35 und 50 Jahren und waren ab Januar 1940 gegründet worden. Fünf Kompanien hatte man sogar nach Frankreich geschickt zur Unterstützung der
britischen Expeditions-Streitkräfte (B.E.F.), die dort wiederum der alliierten französischen Armee im Verteidigungsfall gegen die Deutschen beistehen sollten. Wegen des großen Personalbedarfs in
England wurden danach auch jüngere Bewerber ab dem wehrfähigen Alter 19 aufgenommen.
Ab 10. Mai 1940 griff die Wehrmacht über Holland und Belgien Frankreich an. Schon am 20. Mai waren in diesem Blitzkrieg 45 alliierte Divisionen mit rund 400 000 Mann im Gebiet um Dünkirchen
umzingelt... Nun wurden einige Kompanien oder zumindest Gruppen der Pioneers zur Selbstverteidigung sogar bewaffnet. Am 11. Mai war die neu formierte 93. Kompanie aus dem Ausbildungszentrum
in Kent noch nach Frankreich verschifft worden. Es könnte sein, dass Otto und sein Wiesbadener Freund Werner Buchdahl mit dieser Kompanie nach Frankreich gelangten - oder auch auf andere Weise
noch später gegen Ende Mai.
Denn Yogi Mayer, der Leiter der Pimpfengruppe Schwarzes Fähnlein, der ebenfalls nach England und ins Pioneer Corps gekommen war, hat mehrfach ausgesagt: "Ich
habe Otto und Werner Buchdahl in Frankreich getroffen, als ich mit meiner Kompanie auf dem Rückmarsch war!" Mayer nimmt an, dass die beiden im Auftrag des War Office zur Informationsbeschaffung
unterwegs waren...
Von den Rahmenbedingungen her betrachtet, wäre das möglich gewesen: Für die neu aufgenommenen jungen Rekruten dauerte die Ausbildung damals nur zwei bis drei Wochen. In Dünkirchen zog sich die
Evakuierung von rund 340 000 alliierten Truppen (ohne Fahrzeuge und schwere Waffen) vom 26. Mai bis zum 6. Juni hin - durch Hitler erst ermöglicht und so geduldet. Mindestens drei Kompanien des
Pioneer Corps waren weiter südlich im Übergang zur Bretagne eingesetzt und auch in die Rückwärtsverteidigung britischer Truppen einbezogen. Über St. Malo wurden diese Einheiten sogar noch am 16.
Juni 1940 ausgeschifft.
Bis auf wenige Eckdaten ist auch die weitere Karriere Ottos im Pioneer Corps kaum dokumentiert.
Aus den bislang bekannten Militärdienstunterlagen geht nur hervor, dass er am 14. August 1940 zum "Acting Lance Corporal" befördert wurde. Nach lediglich dreieinhalb Monaten Dienst! Dabei bleibt offen, in welcher Einheit er bis dahin gedient hatte...
Diese Foto wurde in der zweiten Hälfte des Jahres 1942 von Brian Grant in Aberdovey aufgenommen.
Darauf ist Ottos Lance-Corporal-Winkel halb zu sehen.
Warum bekam er den ersten Dienstgrad schon so früh verliehen?
Als Anerkennung einer besonderen Leistung in Frankreich Mai/Juni 1940?