Informationen aus zuverlässigen Quellen
Für den Rest des Jahres 1944 bis zu Ottos offiziell registriertem Tod am 1. Oktober 1944 liegen nur wenige Angaben vor.
Aber die bisher bekannten Informationen und deren Quellen sind dafür um so bedeutender.
In der Militärakte ist verzeichnet:
"Promoted Local Sergeant 09.05.44"
Dieses Beförderungs-Ereignis könnte nun wiederum die Abschlußphase einer Einsatzvorbereitung ausdrücken. Formal hatte Otto dabei sogar die Rangstufe des Corporal übersprungen.
Wie Yogi Mayer berichtete, ging ein Mann mit dem Sergeant-Dienstgrad dann schon im Offiziersrang als so genannter "Temporary Lieutenant" zum Einsatz.
Bis zur nächsten Fakteninformation klafft dann wieder eine Zeitlücke von rund vier Monaten - bis zum September 1944.
Nun zeigt sich, dass Otto zum Agenten des britischen Auslandsgeheimdienstes Special Intelligence Service (SIS) oder MI6 geworden war.
Einige Indizien sprechen dafür, dass er für die SOE bereits ein bis zwei Operationen ausgeführt haben könnte. Waren das seine Referenzen für den neuen Auftraggeber SIS?
Vorgesehener Einsatz im Ruhrgebiet
Im September 1944 war Otto ursprünglich für eine "Informations-Beschaffungsmission" im Ruhrgebiet vorgesehen gewesen.
Nach den Quellenangaben wurde dieser Einsatz aber kurzfristig abgesagt, wobei die Gründe dafür heute nicht mehr bekannt sein sollen. Stattdessen habe man ihn nach Österreich dirigiert...
Agenten-Einsätze im Ruhrgebiet im September 1944 passten eigentlich gut in das kriegsstrategische Gesamtbild. Erstens war das große Kohle-, Stahl- und Industrierevier um Köln ein erstrangiges Ziel des alliierten Vorstoßes aus Frankreich nach Deutschland. Im Raum Köln - Ruhrgebiet hatten sich damals bereits Widerstandgruppen von geflohenen Zwangsarbeitern, Deserteuren und Kommunisten im Untergrund gebildet. Dazu kam die kurzfristige Planung der Alliierten, den Krieg möglichst noch vor dem Wintereinbruch 1944 zu beenden. Mit der Operation "Market Garden" (Auftakt schließlich am 17. September) sollten Luftlande- und Bodentruppen in einer Art Blitzfeldzug die wichtigen Rheinübergänge in Holland erkämpfen, das Ruhrgebiet einnehmen und durch die norddeutsche Tiefebene nach Berlin vorstoßen...
Typische Agenten-Ausrüstung:
Polsterkappe, Overall und Stiefel für den Fallschirm-Absprung.
Handkoffer mit eingebautem Funkgerät für den Einsatz.
ISLD-Operation BEECH
ISLD steht für "Inter-Services Liaison Department". Hinter dieser "Dienste-übergreifenden Verbindungsabteilung" verbarg sich eine Unterorganisation des britischen Geheimdienstes SIS für Spezialeinsätze unter Kriegsbedingungen.
Über Ottos Einsatzaufgabe war bislang nur der Codename BEECH zu erfahren. Aus weiteren Informationssplittern und der bekannten geostrategischen Kriegslage kann man allerdings sowohl die Einsatzregion als auch einen denkbaren Auftrag ableiten: Südkärnten, an der Grenze zu Slowenien, wahrscheinlich Gailtal. Unterstützung einer dort aktiven Partisaneneinheit...
Wir wissen, dass Otto am 19. September im kroatischen Partisanenstützpunkt Kalnik gewesen war - und sich dorthin wahrscheinlich nur nachts und zu Fuß begeben haben kann, was einige Zeit gedauert haben muss. Demzufolge dürfte der Absprung über Südkärnten schon Anfang September stattgefunden haben.
Laut Yogi Mayer war Otto übrigens nicht allein, sondern (wieder) in Begleitung seines alten Fähnleinkameraden Werner Buchdahl.
Agenten-Alleinabsprünge gehörten eher zu den Ausnahmen. Häufig gingen Zwei-Mann-Teams auf die Einsätze, wobei einer davon für die Verbindung zur Einsatzzentrale zuständig war. Das Funkgerät war in einem kleinen Koffer verborgen. Wahrscheinlich wurde das Team vom alliierten Luftstützpunkt Bari aus nach Kärnten eingeflogen.
"Korosko mission impossible" ?
Die oben abgebildete moderne Straßenkarte des vermutlichen Operationsgebiets in Südkärnten läßt schon zwei Rahmenprobleme erkennen: die relativ dichte Besiedelung und die Gebirgslage mit einer Abfolge von Tälern und Bergketten. Aus der militärischen Lage in der Region zum Einsatzzeitpunkt ergibt sich, dass das Agententeam wahrscheinlich Kontakt mit einer slowenischen Partisanengruppe im Gailtal aufnehmen sollte, die bis dahin kaum mit Waffen und Ausrüstung versorgt war und ohne Verbindung zu den übrigen Verbänden operierte.
Diese kleine Gruppe sorgte dafür, dass aus dem Blei-Hüttenwerk in Arnoldstein immer mehr Zwangsarbeiter ausbrachen und führte sie zu Verstecken über die Grenze nach Slowenien.
Die zweisprachige Region um das Dreiländereck Italien, Slowenien und Kärnten mit dem Wurzenpass war aber von Wehrmacht und SS zum "Bandenkampfgebiet" erklärt worden. Also gab es Sonderausweise und Passierscheine, Straßen-Kontrollstellen und nächtliche Ausgangssperren. Zudem patrouillierten SS und Polizei; ortsansässige Spitzel meldeten alles Verdächtige.
Im September 1944 wurde die Lage noch schwieriger, weil alle anderen Einheiten der "Slowenischen Befreiungsfront" vor dem Wintereinbruch aus Kärnten heraus und über die Grenze nach Slowenien verlegt worden waren. Die Gailtaler-Kämpfer standen nun ganz isoliert und exponiert da.
Vor diesem Hintergrund wird es nur zu verständlich, dass jeder denkbare Agentenauftrag in der Region kaum realisierbar und äußerst gefährlich geworden war. Otto und Werner blieb also wohl keine andere Wahl, als einen bereits ausgearbeiteten Ausweichplan auszuführen...