Nachfahren der Ritter von Stübig

Nach den Veröffentlichungen des Historikers Gustav Voit ist das Geschlecht der Stübig "vermutlich nach 1562 erloschen".

Leider habe ich versäumt, Voit rechtzeitig nach diesem letzten von ihm ermittelten Namensträger zu befragen, der offenbar 1562 gestorben war und ihn zu seiner Aussage gebracht haben dürfte.

Gustav Voit selbst ist im Jahr 2001 verstorben.

1997 hat er mir auf meine Anfrage, ob die Stübiger wohl abgewanderte Einwohner des Orts Stübig sein könnten, geantwortet:

"Die Stübig/ Stübiger waren schlüsselbergische Vögte auf Burg Neideck. Stübig ist der Herkunftsname, Neideck der Amtsname".

Den Namen "Stübinger" betrachtete Voit lediglich als Sprach- und Schreibvariante der Grundform Stübig.

Die Ergebnisse unserer eigenen Familienforschung, Namensforschungsexpertisen und die über alle Generationen in der Familie weiter gegebene Herkunftsinformation "Stübig bei Scheßlitz" bestätigen Voits Abstammungsannahme.

Der älteste bislang in genealogischer Reihe ermittelte männliche Vorfahre ist um 1600 im Ort Eichigt im südlichen Vogtland geboren und wird dort nicht Stübig oder Stübiger benannt, sondern Stüber.

 Innerhalb von zwei Folgegenerationen aber - von 1653 bis 1691 - wurde bei den Einträgen in die Kirchenbücher aus Stüber erst Stieber, dann Stiebicher und schließlich Stübiger! Verwechslungen sind dabei definitiv ausgeschlossen.

 Ein derartiges Phänomen ist nur so erklärbar, dass Stübiger ein Herkunftsname ist und dass ein uraltes Abstammungs- und Namensbewusstsein mündlich über längere Zeit weiter überliefert wurde - bis die beurkundeten Personen schließlich selbst den richtigen Namen und die richtige Schreibform bestimmen konnten.

 Gleichzeitig bestätigt diese Entwicklung die niederadelige Abstammung mit dem überliefertem Herkunftsbewusstsein.

Bei Angehörigen einer bäuerlichen Familie wäre es nie mehr zu einer so gravierenden Änderung des Familiennamens gekommen!

 

Ab 1653 begann am Ort Fleißen im Egerland hart an der Grenze zu Sachsen gegenüber Bad Brambach eine neue Ära der Familiengeschichte:

Der Stammvater übernahm einen der nach dem Dreißigjährigen Krieg verwaisten Urhöfe des Ortes. Später entstand ein repräsentativer Neubau, der als Poststation diente.

Über die Jahrhunderte entwickelten sich elf Stübiger-Linien mit eigenen Haus-/ Berufs- und Spitznamen. Man heiratete nicht untereinander.

Angehörige der Großfamilie waren Richter, Gerichtsgeschworene, Schneidermeister und Meister der Strumpfwirkerzunft, Musikinstrumentenbauer, Frächter, Fabrikanten und Bürgermeister.

Ein Stübiger-Neffe (Erich Päsold) wanderte nach England aus, begründete dort ein Textilimperium und wurde für seine Verdienste um den Aufbau einer Ausbildungsakademie mit dem britischen Orden OBE ausgezeichnet.

 

Wie und wann kam es zur Abwanderung aus Oberfranken?

Die letzten bislang festgestellten Namensträger Stübig (Jorg und Hans Stubch) erscheinen 1497 in Wirbenz im markgräflichen Amt Neustadt am Kulm.

Damit haben sich Angehörige der Familie aus Oberfranken schon ein Stück weit nach Osten entfernt.

Durch die Zeugenschaft Heinrich Stübichs für die Familie von Kotzau (vogtländischer Uradel) kann man annehmen, dass schon in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts Beziehungen in den Raum Hof bestanden. Fast alle Mitsiegler sind Ritter aus der Gegend um Bayreuth, Münchberg und Hof.

Bezeichnend an der Familiengeschichte der Stübig in Oberfranken ist die Tatsache, dass sie sich nach Stübig nennen, aber kein Besitz am Ort urkundlich konkret nachweisbar ist. Das läßt sich zum Teil aus der schlechteren Quellenlage für das 12. und 13. Jahrhundert erklären. Aus dem überlieferten Bericht über die Zerstörung eines Ansitzes des Ulrich Ochs in Stübig durch Jorg Groß im Jahr 1430 kann man aber ableiten, dass es sich dabei um den ehemaligen Stammsitz der Stübig gehandelt haben muss. Die Ochs stammen aus Gunzendorf, waren (wie die Stübig und die Groß) ebenfalls Dienstleute der Edelherren Schlüsselberg und mit den Stübig wohl gut bekannt, vielleicht sogar verschwägert. Im 14. Jahrhundert lebten die Familien der Burgmänner Stübig, Ochs, Hirz, Spies und Königsfelder zusammen auf der Burg Neideck. Möglicherweise haben die Ochs den ursprünglichen Stübiger-Besitz am Ort bei Scheßlitz schon im 13. Jahrhundert gekauft , weil die Familie da aus dem Ort weg und zum Wiesenttal auf ihre kleine Wohnturm-Burganlage Neideck gezogen war.

Nach 1460 scheint die Familie Stübig keine Verbindung mehr zur Burg Neideck gehabt zu haben.

Schon 1400 erwirbt Konrad Stübich ein Burggut der Egloffstein auf der Burg Gößweinstein. Nach und nach wird dann Gößweinstein zum Lebensmittelpunkt.

1464 verkauft Konz Stübich sein Burggut zu Gößweinstein an seinen Schwager Konz Königsfelder.

Bis Ende des 15. Jahrhunderts konnte ich in Oberfranken bislang nur noch einen Namensträger feststellen: 1488 Konrad Stubech, Lehensherr der Pfarrei Unterleinleiter.

Auf welche Person sich Voit bezieht mit dem Hinweis "nach 1562 ausgestorben", das wäre noch zu klären...

Die bekannte Familiengeschichte des 15. Jahrhunderts zeigt immer weniger männliche Nachkommen. Gleichzeitig scheint es immer weniger Eigenbesitz gegeben zu haben. Die Familie dürfte auch arm geworden und sozial abgestiegen sein.

Über die Jahrhunderte hat es sicher immer wieder Anlässe für die Abwanderung von Familienmitgliedern gegeben. Als abhängige Dienstleute mussten sie auf Wunsch ihres Dienstherren etwa einer frisch verheirateten Tochter an deren neuen Wohnort folgen und ihr dort dienen. Ein anderer Grund konnte darin liegen, dass sie ihr Freies Eigentum verloren hatten, sich daraus nicht mehr selbst mit dem Lebensnotwendigsten versorgen konnten und es auch keine Lehenseinkünfte oder Geldeinkommen aus Dienstverhältnissen am bisherigen Wohnort mehr gab. Auch Fehden und Kriegsereignisse führten oft zu Todesfällen, schweren Verletzungen mit Siechtum und wirtschaftlichem Ruin, zur Vertreibung oder zur Umsiedlung.

Im 16. Jahrhundert hat es als Folge der großen Umwälzungen durch die Reformation sowie durch die Bauern- und Markgrafenkriege viel Leid und Not gegeben. Daraus entstand oft der Zwang, anderswo Lohn und Brot zu finden.

So wird es auch dem oder den Familienangehörigen der Stübig/ Stübiger ergangen sein, der/ die sich nach Osten absetzten. In dem wahrscheinlich um 1600 in Eichigt geborenen Nickel Stüber vermuten wir einen ihrer Nachkommen. Das Erbbuch von 1542 des Amts Voigtsberg, zu dem der Ort Eichigt gehörte, führt keinen Träger eines solchen Namens auf. In einer Erbbuch-Vorfassung des Jahres 1534 erscheint aber ein Erhart Stiber in Untertriebel, das nur wenige Kilometer von Eichigt entfernt liegt...

Siehe auch die Kapitel "Die Namensentwicklung" und "Vorfahren Stiber/ Stieber/ Stüber?".

Noch besteht eine gewisse Möglichkeit, dass sich durch weitere Recherchen - nun in den Archiven in Chemnitz und Dresden - vielleicht doch noch konkretere Hinweise auf die Vorfahren Nickel Stübers gewinnen ließen und die zeitliche Lücke von rund 100 Jahren geschlossen werden könnte...

 

Grob gekennzeichnete, pauschal zugeordnete Lebensräume der Großfamilie Stübig/Neideck/Stübiger mit Wanderungsbewegungen von ca. 1150 bis ca. 1950 nach dem bisherigen Kenntnisstand.